Gemeinde Grünwald

Rathausstraße 3, 82031 Grünwald

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Vorgeschichte

Zur Vorgeschichte Grünwalds
Die vorgeschichtlichen Siedlungsbefunde in der heutigen Gemeindeflur Grünwalds reichen weitgehend lückenlos von der frühen Bronzezeit (2150 – 1650 v. Chr.) bis in die „jüngere Eisenzeit”, auch „Latènezeit” genannt (450 – 15 v. Chr.) Die verkehrsgünstige Lage des Ortes an der Kreuzung zweier Haupthandelswege Nord-Süd zu den reichen Kupfererzlagerstätten im Tiroler Inntal und den Zinnvorkommen im Fichtelgebirge, sowie in Ost-West-Richtung von den Salzvorkommen im salzburgischen Hallein über einen günstigen Abstieg beim „Gasteig” zur Furt durch der Isar weiter in die Gegend nördlich des Starnberger- und Ammersees mögen hierfür ausschlaggebend gewesen sein. Die zeitliche Kette der Funde reißt mit dem Beginn der römischen Besatzung ab. Erst zur Zeit der Merowinger im frühen Mittelalter (6. Jh. n. Chr.) lässt sich durch die leider zerstörten Reihengräber am Hirtenweg wieder eine Besiedelung nachweisen. Bis heute konnten 12 vor- und frühgeschichtliche Bodendenkmäler im Gemeindegebiet in die Denkmalliste eingetragen werden. Sie sind im „Bayerischen Denkmal Atlas” im Internet zu finden.

Forschungsgeschichte
Sieben sichtbare Grabhügel südlich der Laufzorner Straße, den sog. „Römerhügeln” im „Laufzorner Feld”, weckten das Interesse der frühen Archäologischen Forschung in Bayern. Bernhard Stark, der Konservator des Münchner Antiquariums der Akademie der Wissenschaften untersuchte bereits 1812 zwei bislang nicht geöffnete Hügel in diesem Gräberfeld und dokumentierte die Befunde. Nachgrabungen in den Jahren 1892 und vor allem 2000 bei der Errichtung des Kindergartens Struwwelpeter auf einer Fläche von 2300 m² konnten schließlich 95 Bestattungen nachweisen. Man ordnet diese Grabstätten heute der späten Bronzezeit oder „Urnenfelderzeit” (13. bis 9. Jh. v. Chr.) zu.

Ein weiteres Hügelgräberfeld, heute längst eingeebnet, befand sich in der Schmorell-Straße und wurde im 19. Jh. noch als „germanische Gräber” bezeichnet. Sie werden heute der jüngeren Eisenzeit zugeordnet. Bereits 1911 entdeckte an der Tölzer Straße 16 ein aufmerksamer Grundstücksbesitzer bei der Anlage seines Gartens Urnengräber und informierte das Denkmalamt. Die anschließenden systematischen Grabungen in den Jahren 1912 bis 1920 legten insgesamt 59 Graburnen aus Brandbestattungen der späten Bronzezeit (13. bis 9. Jh. v. Chr.) mit zahlreichen Grabbeigaben, neben verschiedener Keramik an Bronzen: Armreifen, Gewandnadeln, Gürtelschließen, Messer, Rasiermesser und schließlich die „Grünwalder Fibel” in 10 Exemplaren, frei.

Auch in Geiselgasteig konnte 1912 Dr. Englsperger, damaliger Institutsleiter und um die Kultur verdienter Gemeinderat, bei der Anlage eines Weges in seinem Grundstück eine Körperbestattung aus der frühen Bronzezeit (ca. 2000 v. Chr.), wegen der Seitenlage des Toten mit angewinkelten Beinen „Hockergrab” genannt, entdecken. Auch dieses Grab konnte - dem damaligen Stand der Grabungstechnik entsprechend - in seinen Befunden und Funden für die Forschung gesichert werden.

Die großflächigen Erschließungen auf den zusammenhängenden Grundstücken der Parkgarage, des Gymnasiums und des „Hauses der Begegnung” auf einer Fläche von über 100.000 m² in den Jahren 2009 bis 2014 durch die Gemeinde war für die archäologische Forschung ein besonderer Glücksfall: sie offenbarten Siedlungsgeschichte und Bestattungskultur über einen weitgehend lückenlosen Zeitraum von 2000 Jahren. Auf dem Areal des Gymnasiums konnten auf 53.500 m² durch die Grabungsfirma SingulArch allein die Überreste von 27 Häusern, 43 Gräbern, 16 Grabhügel, 4 rechteckige Grabeinfriedungen und zwei Gruben mit großen Mengen zerscherbter Keramik entdeckt werden.

Die wissenschaftliche Auswertung der Befunde und Funde
Dank der Finanzierung durch die Gemeinde Grünwald – und dies ist ein weiterer, seltener Glücksfall für die Archäologie -  konnten die Grabungen in den letzten 20 Jahren nicht nur abgeschlossen, sondern die Funde und Befunde dokumentiert, katalogisiert, konserviert und - soweit sinnvoll -  auch restauriert und unter Einschluss der Grabungsergebnisse aus früherer Zeit wissenschaftlich ausgewertet werden. Hierzu wurde ein partnerschaftliches Projekt zwischen der Gemeinde Grünwald, dem Landesamt für Denkmalpflege, Abt. Bodendeckmalpflege mit seinen Restaurierungswerkstätten, und dem Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie (Lehrstuhlinhaberin Prof. Dr. Carola Metzner-Nebelsick) an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo die wissenschaftliche Auswertung erfolgte, eingerichtet.

Ergebnisse
Die große Anzahl an Häuserüberresten und Grabstätten mag zunächst überraschen. Wenn man aber bedenkt, dass ein Haus in vorgeschichtlicher Zeit aufgrund seiner Bauweise und des verwendeten Baumaterials nur eine Standzeit von etwa 30 Jahren hatte und dann an anderer Stelle neu errichtet werden musste und die Grabstätten stets in nächster Nähe zur Siedlung angelegt wurden, sind die zahlreichen Gebäudereste gut zu erklären. Der lange Zeitraum der Besiedelung der Hochfläche zeigt auch den Wandel der Bestattungskultur: von den Körpergräbern bzw. Hockergräbern der frühen und mittleren Bronzezeit zu den Brandbestattungen in der späten Bronze- und Hallstattzeit (800 – 450 v. Chr.). In der frühesten Latènezeit kam hingegen die Sitte der Körperbestattungen wieder auf, die aber bald erneut durch die Brandbestattung, ev. in „Grabgärten”, abgelöst wurde.

Frau Prof. Dr. Metzner-Nebelsick fasst die bisherigen Ergebnisse des Projektes zusammen: „Abgesehen vom Inhalt einiger Gräber und ihrer Bedeutung wusste man über die weitere Vorgeschichte und somit das Leben der Bewohner Grünwalds durch die Zeiten im Grunde kaum etwas. Auch Fragen nach der Siedlungsweise mussten bislang unbeantwortet bleiben. Erstmals gelingt es zu verstehen, wie die Menschen in Grünwald, einem anscheinend in der Zeit des 2. bis 1. vorchristlichen Jahrtausends wichtigem Ort von überregionaler Bedeutung, vor mehreren Jahrtausenden gelebt haben und wie sie – für Archäologen besonders wichtig und die Menschen von heute faszinierend – ihre Toten bestattet haben. Es sind vor allem die für die Ewigkeit angelegten Gräber, die durch ihre vielfältigen Funde – so paradox es klingen mag – einen sehr guten Einblick in vergangene Lebenswelten bieten.”

16.02.2020
Wolfgang Kuny

 

Ausführliche Informationen und Bildmaterial zu den Berichten des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege und des Universitätsinstituts zu den Vorhaben in Grünwald sind hier nachzulesen:
icons_website_pdf Erschließung der Vorgeschichte